Zur Geschichte der Hexenverfolgung

  geschrieben von Roibin

Hexenbegriff des Mittelalters und der frühen Neuzeit:

Resultat einer systematisierten Verbindung ursprünglich nicht zusammengehörender Elemente des Zauber und Aberglaubens (Luftflug, Tierverwandlung, Schadenszauber, Teufelsbuhlschaft und Teufelspakt) mit Lehren der Dämonologie und Strafbeständen der Ketzerinquisition.

Aufbauend auf spätantiker und neuplatonischer Dämonologie formulierte Augustinus die für die theologisch-philosophische Begründung des Hexenglaubens folgenschwere Lehre vom Dämonenpakt.

Thomas v. Aquin: 1254/6 weist die Lehre von der Unwirklichkeit des Maleficium zurück. Der Zweifel an der Realität des Teufelspakts und der Zauberei verstößt gegen die Autorität der Heiligen, und der römischen Kirche.

Hexenbild:

Personen, vornehmlich weiblichen Geschlechts, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, um mit dessen Hilfe der Menschheit Schaden durch Zauberei zuzufügen. Sie bilden untereinander eine ketzerische Sekte, die an dem unter Vorsitz des Teufels stattfindenden Hexensabbat teilnehmen, sich zu diesem Sabbat in schnellem Flug durch die Lüfte hinbegeben, die dort untereinander und mit dem Teufel Unzucht treiben. (nach Joseph Hansen, Jahrhundertwendehistoriker)

Voraussetzung für die spätmittelalterliche Hexenverfolgung ist der Hexenwahn:

Drei Perioden:

von 400 bis 1230 Die Realität der Hexerei wird von Theologen geleugnet, die Vorstellung und der Aberglaube sei Teufelswerk (Kanon Episcopi)

-907 Zusammenstellung einer Kirchenverwaltungslehre und eines Werkes über Kirchenzucht von Trierer Bischof Ratbod: Hexenflug als heidnisch-römische Vorstellung verdammt. Die Realität wird angezweifelt.

-um 1020 Burkhard von Worms in seiner Beichtanleitung Corrector et Medicus vertritt die gleiche Ansicht:

Der Aberglaube es gebe Hexerei sei teuflischen Ursprungs und müsse bekämpft werden. Nicht aber die Hexen, da sie die ihnen nachgesagten Fähigkeiten in Wirklichkeit gar nicht besäßen. Diese Auffassung war bis zum Ende des 12. Jahrhunderts herrschende Auffassung der römischen Kirche. Erst im 13. Jahrhundert konnte infolge der Tätigkeit der päpstlichen Ketzergerichte der Glaube an die Realität der Dämonenwelt und des Dämonenpaktes durchgesetzt werden.

-ab 1183 Kehrtwende: Gipfeltreffen zwischen Kaiser Friedrich I. und Papst Lucius III. in Verona: theoretische Grundlage und das praktische Verfahren gegen die Ketzersekten in Südfrankreich geschaffen

-1209-1229 Papst Innozenz III. befiehlt Kreuzzug gegen die Albigenser (eine den Katharern verwandte Sekte, keine Sakramente, Zweischöpfertheorie), etwa 30 000 Bewohner Südfrankreichs getötet, rauben und plündern von den Beauftragten Graf Montfort, persönliche Bereicherung

-1232 Übertragung des heiligen Amtes der Inquisition ketzerischer Schlechtigkeit an den Dominikanerorden. Jede Verleugnung der päpstlichen Autorität oder eine Abweichung von der offiziellen Kirchenmeinung galt als Ketzerei und wurde verfolgt

-Bestrafung: Der Feuertod

-Verfahren: Inquisitionsprozeß: nicht öffentlich, sondern geheim und schriftlich

Folter seit 1252 offiziell von den Päpsten als legitimes Mittel der Wahrheitsfindung zugelassen, die bis dahin wichtigsten Beweismittel: freies Geständnis, Reinigungseid des Beschuldigten, Gottesurteil verlieren ihre Wirkung

Entscheidender Bruch mit dem bisherigen Kirchenrecht und den div. Volksrechten: wo kein Kläger, da kein Richter gilt nicht mehr.

-1233 Ketzerbulle des Papstes Gregor IX.: erstmalige Verbindung von Ketzerei und Hexerei (Verbindung von Ketzerei und Teufelspakt, Verhöhnung der christl. Sakramente)

-Erste Prozesse nach diesem Muster in Deutschland unter Konrad von Marburg, Generalinqusitor von Gesamtdeutschland in Elsaß und Mainz und Trier, Inquisitoren erhalten die Hälfte des eingezogenen Vermögens der Beschuldigten. Konrad versucht deshalb besonders Adelige und reiche Bürger zu verurteilen. (Interesse), Abfolterung von Geständnissen, Mainzer Bischof erhebt Einspruch, 1233 wird Konrad von Marburg erschlagen, Synode in Mainz beschließt Mönchsorden rauszuhalten, Abebben der Inquisition, fast 250 Jahre blieb Deutschland nun von Ketzer oder Hexereiprozessen weitgehend verschont, bis zum Erscheinen der Hexenbulle und des Hexenhammers, dann Mittelpunkt der Hexenverbrennungen

-1307-1313 Prozeß gegen den Templerorden: Beispiel, daß die Inquisition auch zum Durchsetzen landesfürstlicher oder politischer Interessen dienen konnte. Phillip IV., König von Frankreich läßt die Templer der Ketzerei, Götzenanbetung, Unzucht und als Mitglieder einer satanistischen Weltverschwörung verfolgen. Folter, Geständnisse. 2000 franz. Ritter verhaftet, Gesamtvermögen der Templer eingezogen, Hingerichtet. Die Bedeutung dieses Prozesses auf dem Weg vom Inquisitionsprozeß zum Hexenprozeß ist, daß hier erstmals das Bild des Hexensabbats in der Anklage ausformuliert wurde, das sich später mit seinen Begleiterscheinungen Hexenflug, Hexenmahl, Eid, Unzucht, Schadenszauber zum eigentlichen Kernstück des Hexenprozesses entwickelte.

-Prozesse von Arras: 1459 nach der Veröffentlichung einer Kampfschrift Der Ketzergeißel von Nicolaus Jacquier kommt es in Arras zu einer Reihe von Prozessen, in denen die Angeklagten zwar noch als Ketzer bezeichnet wurden, die Vorwürfe jedoch weitgehend identisch mit den Hexereidelikten.

-Auftreten der zwangsläufigen Folge von Denunziation : Prozesslawine, periodische Verfolgungen. Die Prozesse von Arras sind somit ein Vorbild für die großen periodischen Verfolgungswellen in Deutschland. ca. 1583 in Osnabrück und Straßburg, 1590 Trier, 1605 Fulda und Köln, 1630 Würzburg, Köln, Bamberg

- Außerkraftsetzung der normalen Verhandlungsgrundsätze: geheime Verhandlung, schriftl. Fixierung des Foltergeständnisses auf der Folter, Denunziationsprinziep genügt als Anklage und wird rechtskräftig, keine Verteidigung

In den Inquisitionsprozessen zwischen 1250 bis 1430 kommt es zu einer Vermischung der meisten Elemente des Zauberwahns mit dem Ketzertum. Am Ende des 15. Jahrhunderts beginnen die reinen Hexenprozesse, die ihren Ursprung in den Inquisitionsprozessen haben.

1230 bis 1430 gekennzeichnet durch die pseudowissenschaftl. Untermauerung des Dämonen und Zauberglaubens, v.a. durch die Scholastik. Es wird ein besonderer Verbrechensbegriff entwickelt: Das Maleficium

Die Scholastik entwickelte auf dem Hintergrund ihrer frauenfeindlichen Positionen unter Rückgriff auf antike Vorstellungen und jüd. Mythologie (Inkubus, Sukkubus) die diffamierende Ansicht von der allg. Neigung der Frau zur geschlechtlichen Verbindung mit dem Teufel.

Die These lautete: Teufelsbuhlschaft, mit der laut Prozeßakten die Hexenlaufbahn begann.

Der vom Sachsenspiegel (älteste und einflußreichste Rechtsbuch des dt. MA, 1224-31) auf Zauberei und hexische Ketzerei bestimmte Feuertod setzte sich als Strafform in der späteren Gesetzgebung durch.

3. Periode: 1430-1540 der eigentliche Beginn der großangelegten und systematisch betriebenen Hexenverfolgung

1484 Hexenbulle: Summis desiderantes affectibus von Papst Innozens VIII., die Bulle richtete sich gegen den Widerstand der Obrigkeit die seinen in Deutschland eingesetzten Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger entgegengebracht wurde.

- Inhalt: Klage über den Glaubensverfall, erste vollständige Aufzählung der allen Hexen vorgeworfenen Verbrechen: Angehörige beiderlei Geschlechts treiben Unzucht mit dem Teufel, Schadenszauberei, Kinder töten um Hexensalbe für den Hexenflug herzustellen, Ernte durch Wetterzauber vernichten, Verhinderung der Empfängnis, es fehlen Hexensabbat und Hexenflug, noch unvereinbar mit dem Kanon Episcopi

Den Abschluß und die totale Institutionalisierung´und Systematisierung der Hexentheorie und Verfolgung bildete der Hexenhammer Malleus malefic a rum(1486) der Inqusitoren/Dominikanermönche Heinrich Institoris und Jakob Sprenger. Grundlage für das Entstehen eines bis zur Massenhysterie gesteigerten Verfolgungswahns

Aufbau: 1. Buch: schon die Leugnung des Hexenglaubens ist Ketzerei, unter Berufung auf eine Unzahl kirchlicher Autoritäten die Mitwirkung und Wirklichkeit des Teufels bei allen Hexereien. Die naturgebundene Anfälligkeit der Frau für den Teufel und Hexerei (auch sexuell) wird hervorgehoben. Gleichsetzung von Frau und Hexe, Die Minderwertigkeit der Frau wird aus der Genesis/Bibel erklärt: Sündenfall und Erschaffung Evas: daher größere Anfälligkeit

2. Buch: Spezifizierung und Systematisierung der Untaten der Hexen: Flug, Sabbat, Zauber etc. . Unter dem Gewand streng wissenschaftlicher Beweisführung berichten sie aus ihrer Inquisitionserfahrung/Praxis

3. Buch: Praktische Anleitung für geistliche und weltliche Hexenjäger, wie der Prozeß zu führen sei, damit er erfolgreich, also mit Verurteilung und Hinrichtung beendet werden könne. Kein Anklageverfahren, keine Verteidigung (Verteidgier selbst in Verdacht Hexenmeister zu sein), Folter als Mittel der Wahrheitsfindung, Ausschluß der Berufung, Hexenproben etc.

Handbuchcharakter des Hexenhammers für die Juristen und Prozeßführenden von zweieinhalb Jahrhunderten. zwischen 1487 und 1669 29 Auflagen

Inhalt:

  • für die Gerichtspraxis maßgeblich verwendet als Gesetzbuch
  • versch. Formen des Hexenglaubens und der Zaubereidelikte zusammengefaßt
  • Verfahrensneuerungen: Denunziation anstelle von Anklage
  • Im Beweisverfahren Verwendung der Folter, Hexenproben

Verfahrensgrundsätze in den Hexenprozessen:

- im deutlichen Widerspruch zur Constitutio Criminalis Carolina von 1532: Suggestivfrage: Ob sie als Tier erschienen sei etc./ Todesstrafe nur bei Nachweis des Schadenszaubers und des tatsächlichen Schadens- aufgehoben

- die Incubus (Teufel in Männergestalt)/Succubus (Teufel in Weibergestalt)-Vorstellung nach der es bei der Teufelsbuhlschaft auch zu Kindern bzw. Vererbung der Hexenmacht kommen konnte führte zur Vernichtung ganzer Familien und der Ausweitung der Prozesse von der Großmutter, Mutter, Töchter

-Verhör und Folter: Erpressung von Geständnis und Anschuldigungen: Prozesswelle

- Indizien: ALLES, Abstammung von als Hexen verurteilten, Wohnort, frevelhafte und lästerliche Reden, Konflikte mit der Nachbarschaft, besondere Frömmigkeit, nicht fromm, Aufenthalt im Freien während eines Gewitters, Gerüchte und Verleumdung

- Im Sinne des Inqusitionsprozesses kein privater Ankläger mehr nur noch von Amts wegen, Denunziation genügte, auch auf der Folter erpresste

Hexenproben

faktisch übernehmen sie die Rolle des Beweises

Wasserprobe: Hexe gefesselt ins Wasser werfen: geht sie unter unschuldig, aber tot. schwimmt sie oben, schuldig, Verbrennung

Wiegeprobe: geringeres Gewicht der Hexe auf der Waage feststellen,

Nadelprobe: Hexenmal, das der Teufel zum Zeichen des Paktes der Hexe einbrennt. Warzen, Muttermale werden mit einer Nadel angestochen, schmerzunempfindlich und blutet nicht

Eisenprobe: (ehemaliges Gottesurteil) glühendes Eisen in die Hände, verbrennt es die Hand schuldig

Die Prediger: Hexenprediger katholischer und protestantischer Religion ziehen durch die Gemeinden und schüren die Teufels und Hexenangst. z.T. Zusammenarbeit mit Inquisitoren. Phantastische Ausmalungen des Hexensabbats

Hexenverfolgung im Kurfürstentum Trier als Beispiel:

Zwischen 1587 und 1593: 368 Personen hingerichtet, die mehrere tausend Personen auf der Folter beschuldigten, viele davon ebenfalls hingerichtet. In dieser Zeit große Wetterschäden bei der Ernte, Hungersnöte, Ansteigen der Beschuldigungen und Verbrennungen, Prediger hetzen auf und sprechen von einer Verschwörung der Hexen. Außerdem haben die weltlichen und kirchlichen Ankläger ein großes Interesse daran sich zu bereichern. Alchemie wie man aus Menschenblut Gold macht. Beschlagnahmung des Besitzes von Verurteilten. Außerdem war das Fürstentum Trier / Plünderungen durch span. und niederländ. Truppen, Und die Schrift des Weihbischofs Petrus Binsfeld: Kurzfassung des Hexenhammers

Man kann festhalten, daß Naturkatastrophen oder Brandschatzungen durch Heere Unzufriedenheit der Bauern und der Bevölkerung bei Hungersnöten, die Gier der Ankläger häufige Ursache für Prozesswellen darstellten.

Hexenprozesse unter der Regierung Elisabeth I.

-erste Verurteilung 1556 in England, großer Unterschiede zum Festland oder Schottland: Hexen werden gehenkt, nicht verbrannt, Folter war und blieb verboten, auf dem europäischen Festland kaum Freisprüche, in England bei Hexenprozessen mehr Freisprüche als Verurteilungen. nur 19 Prozent der Angeklagten hingerichtet. insgesamt nicht mehr als 1000. ¼ von den Opfern in Schottland, wo die Folter zugelassen war. 1563 Act against conjurations, enchantments and witchcrafts: Verbot von Zauberei, Wahrsagerei, beim ersten Vergehen ein Jahr Gefängnis.

 

Zahl der Opfer der Hexenprozesse zwischen 1480 und 1780 in Europa umstritten in der Forschung: Die Zahlen schwanken zwischen 1 Mio. und 9 Mio.

Keine großen konfessionellen Unterschiede in der Hexenverfolgung: 
auch Protestanten betreiben Hexenverbrennungen

Höhepunkt der Hexenverfolgung zwischen 1590-1630

 

Auseinandersetzung und Bekämpfung des Hexenwahns und der Verfolgungen

-Johann Weyer, Leibarzt des Herzogs Wilhelm II. von Cleve: Über die Blendwerke der Dämonen, 1563 erschienen, wäre durchaus geeignet gewesen die Thesen des Hexenhammers zu entkräften, allerdings war das Buch nicht von einem Juristen oder Theologen geschrieben worden und wurde deshalb nicht sehr ernst genommen. Bekämpft den Hexenwahn, Hexerei sei ein Blendwerk des Teufels und somit Einbildung, die Prozesse selbst ein Teufelswerk um Unruhe in der Christenheit zu erzeugen, viele Unschuldige seien getötet worden. Fordert eine Reform der Verhandlung mit verteidigung und Anklage (Jean Bodin widmet in seiner Daemonomania ein eigenes Kapitel der Wiederlegung von Weyers Schriften)

-Augustin Lerchheimer: Christlich Bedenken und Erinnerung von Zauberei, um 1570

-Jesuitenpater Friedrich Spee: 1631 Cautio Criminalis, fünfzig Fragen und Antworten, Enthüllungen über den Hergang von Prozessen, Mißbrauch angeprangert, als Beichtvater von Hexen Praxis erlebt. er selbst schreib er habe noch keine Hexe zum Scheiterhaufen begleitet, die schuldig gewesen sei.

-Christian Thomasius: Gutachter bei Hexenprozessen, 1701 De Crimine Magiae, Forderungen: Einstellung aller Hexenprozesse, da es sich bei Hexerei um ein fixtives Verbrechen handele. Übersetzung von englischen Hexengegnern Webster und Hutchinson.

-1714 Friedrich Wilhelm I.: Brandenburg-Preußen: Edikt gegen Mißbräuche bei Hexenprozessen: Folter und Verurteilung bedarf Zustimmung des Königs

 

Ende der Hexenverfolgung: Letzte europäische Hexe Anna Göldi 1782 in Glarus/Schweiz geköpft, 1775 letzte Hexe in Kempten (Deutschland) hingerichtet.

Zur Entstehung, Realität und Funktion des Hexenglaubens im 15. Jahrhundert (A. Blauert):

Gründe: -Zyklisch auftretende gesellschaftliche Krisen im Zuge von Mißernten, Teuerungen, Hungersnöten, Seuchen

- Predigertum und Unterweisung der Bevölkerung schüren den Wahn

- Diskussion der Wissenschaft über Hexerei an sich

Frage: Gab es Hexen ? Möglicherweise eine breite Alltagsreligionsausübung nicht-christlichen Ursprungs im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit.